(ip/pp/) Inwieweit der Nachbarschutz im Baurecht bei einem genehmigungsfrei verwirklichten Vorhaben greift, hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen aktuell zu entscheiden. Die Antragsteller des Verfahrens versuchten, den Weiterbau eines Wohnbauvorhabens bauaufsichtsbehördlich zu unterbinden, das auf der nördlichen Hälfte ihres westlichen Nachbargrundstücks verwirklicht wurde. Ihr eigenes Grundstück war in der Südwestecke mit einem Einfamilienhaus bebaut. Sie meinten, das Vorhaben weiche zu ihrem Nachteil von geltendem Grenzabstandsrecht sowie den Festsetzungen des Bebauungsplanes der Antragsgegnerin ab, der für beide Grundstücke nur ein Vollgeschoss gestatte. Selbst wenn man berücksichtige, dass das Gelände auf dem Grundstück des Beigeladenen von Nord nach Süd und zugleich von West nach Ost abfalle, sei das Keller- als Vollgeschoss anzusehen und rücke die östliche, rund 4,20 m lange Ostseite des Vorhabens zu nah an ihr (dort mit Wald bestandenes und nach den Festsetzungen des Planes auch nicht bebaubares) Grundstück heran. Angesichts seiner Masse habe das Vorhaben (fast) erdrückende Wirkung und einen unzulässig großen Schattenwurf auf ihr Grundstücks zur Folge. Wegen dieser Verstöße dürfe das Vorhaben erst nach Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens verwirklicht werden.

Das Verwaltungsgericht hatte darauf den Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, gegen das Vorhaben vorläufig einen Baustopp zu verfügen, mit folgender Begründung abgelehnt: Für den Eilantrag bestehe zwar noch ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Beigeladene das Wohnbauvorhaben zwischenzeitlich als Rohbau fertig gestellt habe. Dieses entfalle erst mit der Bezugsfertigkeit. Die “Rohbaufertigkeit” erscheine der Kammer aber als zu frühe Grenze. Der Antrag sei daher zum damaligen Zeitpunkt unbegründet. Ein Anspruch auf Einschreiten komme erst dann in Betracht, wenn das Vorhaben wegen Verletzung von Normen baurechtswidrig sei, die ja auch den Interessen dieses Nachbarn zu dienen hätten - und ferner eine Weigerung, von dem daraufhin eröffneten Ermessen zu Gunsten dieses Nachbarn Gebrauch zu machen, fehlerhaft wäre.

Das OVG urteilte hier korrigierend in nächster Instanz:

“1. Wendet sich der Nachbar gegen ein Bauvorhaben ausschließlich wegen der Wirkungen, welche von seiner Masse ausgehen, nicht also (auch) gegen seine Nutzung, dann entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Nachbarantrag grundsätzlich schon mit der Fertigstellung des Rohbaus (einschließlich Bedachung). Das gilt auch dann, wenn der Nachbar ein Einschreiten gegen ein Vorhaben wünscht, das der Nachbar mit der Behauptung zu errichten unternimmt, es bedürfe wegen § 69a NBauO keiner Baugenehmigung.

2. Baut der Bauherr auf der Grundlage von § 69a NBauO, ist die Bauaufsichthsbehörde nicht in jedem Fall verpflichtet, als Ausgleich für den Verzicht auf ihre präventive Tätigkeit nunmehr verstärkt repressiv tätig zu werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Vorhaben nach dem eingereichten Entwurf keinen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften erkennen lässt und die Auswirkungen auf das Nachbargrundstück als nicht gravierend anzusehen sind. In solchen Fällen darf der Nachbar darauf verwiesen werden, seine behaupteten Rechte vor den Zivilgerichten geltend zu machen.”

OVG Niedersachsen, Az,; 1 ME 134/08